Praktische Erfahrungen mit dem Hyundai Nexo
Das Auto:
Der Nexo ist ein absolut cooles Auto.
Wenn nachfolgend mehr Kritikpunkte genannt werden, so stellt das
keine Einschränkung dieses Gesamturteils dar, sondern ist eigentlich
primär als Feedback an Hyundai gedacht, wie man das Fahrzeug noch
weiter aufwerten könnte - z. T. mit geringen Aufwand und teils sogar
einfach per Software-Update.
Der Hersteller:
Die Art und Weise, wie Hyundai mit Kunden umgeht, ist unterirdisch.
- Über die Wartezeit nach der Bestellung und die (nicht-existenten) Informationen zum Liefertermin habe ich an anderer Stelle schon geblogged.
- Das größte Problem aber: Es gibt keinen Zubehör, und Hyundai ist das offensichtlich egal:
- Dachgepäckträger? Angeblich ist das Dach mit 100 kg belastbar. Zugelassen ist das nicht.
- Anhängekupplung? Zugelassen ist das nicht, nicht mal als ohne Anhängelast, also z. B. für Fahrradträger.
- Sonstiger Zubehör? Hyundais eigene Zubehör-Seite listet den Nexo nicht einmal auf.
So geht man nicht mit Kunden um.
Was mir am Auto nicht gefällt:
- Es ist unverständlich, warum der Nexo keinen Speicher für die Sitzpositionen anbietet. Wenn man z. B. den Ioniq gefahren hat, wird man jede Menge Gemeinsamkeiten in der Software-Ausstattung feststellen; nur: der deutlich billigere Ioniq speichert einerseits die Sitzpositionen für zwei Fahrer, andererseits fährt er als Hilfe zum Ein- und Aussteigen den Fahrersitz automatisch ganz nach hinten. Der Nexo könnte das selbstverständlich auch - er hat ebenfalls die dafür notwendige elektrische Sitzverstellung.
Hallo Hyundai - dieses Leistungsmerkmal ließe sich als reines Software-Update jederzeit nachrüsten, worauf wartet ihr?
- Das Konzept der Mensch-Maschine-Kommunikation muss aus meiner Sicht in vielen Punkten umfassend überarbeitet werden. Es ist für den Fahrer oft unmöglich herauszufinden, was das Fahrzeug eigentlich "will", wichtige Informationen können viel zu leicht übersehen werden oder weniger wichtige werden viel zu aufdringlich präsentiert. Ein paar Beispiele:
- Ich erlebe es immer wieder, dass das Auto einen Warnton "Pling! Pling!" von sich gibt, ohne aber durch irgendeine Anzeige in einem der Displays zu verraten, was es damit eigentlich meint. Das ist extrem verwirrend. (*)
- Als Fahrer kann man nur daran erkennen, ob der Spurassistent aktiv ist und das Fahrzeug in der Spur hält, indem man im Tachodisplay nachsieht, ob das kleine Lenkradsymbol weiß oder grün ist. Wenn das Auto die Spurführung verliert, wechselt nur dieses Symbol die Farbe von grün auf weiß - es gibt keinerlei Warnung für den Fahrer. Das ist aus meiner Sicht geradezu gefährlich!
- Andererseits ertönt bei jedem (erkannten) Berühren oder Überfahren einer Leitlinie ein lautes Signal, dass nicht nur den Fahrer, sondern auch alles Passagiere im Fahrzeug aufschreckt und diesem auch bei völlig harmlosen Situationen (z. B. dem Schneiden einer Kurve) missbilligende Blicke aller Anwesenden beschert. Andere Hersteller lassen in solchen Situationen z. B. das Lenkrad vibrieren - das rüttelt den Fahrer im wahrsten Sinne des Wortes wach, erfüllt also seinen Zweck mindestens ebenso gut, stört aber die Passagiere nicht. Ich halte das für eine deutlich bessere Lösung.
- Der Spurassistent ist generell nicht sehr zuverlässig. Es ist unvorhersehbar, wann er die Spur erkennt und wann nicht. Auf den von mir regelmäßig befahrenen Strecken gibt es einige Stellen, wo er die Spurerkennung verliert, obwohl er weit voraus völlig freie Sicht auf wunderschöne, klar erkennbare Leitlinien hat. Es ist auch schwer nachvollziehbar, wie er das Fahrzeug steuert. In Rechtskurven beobachte ich z. B. eine Tendenz, dass er sich sehr weit links halt, oft direkt an der Mittellinie und damit sehr nahe am Gegenverkehr - als Mensch würde ich niemals so fahren. Noch schlimmer wird es, wenn man hier versucht, zu korrigieren: wenn man sanft gegenlenkt und das Auto eher in die Mitte der Fahrspur steuert und dann das Lenkrad wieder freigibt, dann kommt es recht häufig vor, dass der Spurassistent so stark zurück nach aussen lenkt, dass er dann die Mittellinie sogar überfährt - um dann den Fahrer mit lautem Warnton zu sagen, dass er nicht weiß, was er tut.
Hyundai, hier ist noch Feinabstimmung nötig. Zum Vergleich ist der Spurassistent im Ioniq zwar viel "nervöser", was die Lenkbewegungen betrifft, aber solche Patzer habe ich da nicht erlebt.
- Die Lüftungssteuerung ist völlig unbefriedigend. In den vier Lüftungsschlitzen im Armaturenbrett (Fahrer und Beifahrer jeweils links und rechts) befinden sich Lamellen, die jeweils gekippt und geschwenkt werden können. Man kann damit den Luftstrom nach oben und unten bzw. nach rechts und richten - leider auch nur in sehr engen Grenzen. Und, wenn man den Schieber ganz nach links stellt, abstellen. Was völlig fehlt ist eine Möglichkeit, die Stärke des Luftstroms individuell zu regeln. Wenn ich z. B. die äußere Düse stark auf die Scheibe blasen lassen will, habe ich keinerlei Möglichkeit, die innere Düse irgendwie zu drosseln. Das ist extrem frustrierend und dürfte in einem Auto dieser Preisklasse einfach nicht vorkommen.
- Der Wasserstoffverbrauch wird leider durchgängig nur mit einer Kommastelle angezeigt - ob jetzt ein "1,2 kg/100km" tatsächlich 1,151 oder 1,249 sind, kann man nirgendwo herausfinden - obwohl das mehr als 10% Unterschied ausmacht. Jemand, der gezielt den Energieverbrauch optimieren möchte, bekommt da also keine Hilfe. Ebenso ist bei der Live-Anzeige des Verbrauchs das Messintervall mit 5 Minuten viel zu groß - hier sollte irgendwo der aktuelle Momentanverbauch angezeigt werden…
- Ich habe nach dem Tanken noch nie einen vollen Tank gehabt. Das Maximum, was beim ersten Einschalten nach dem Tankvorgang angezeigt wurde, waren 93%. Da es nicht gut sein kann, dass alle Tankstellen gleichermaßen zu wenig tanken, muss es wohl am Auto liegen. Hallo Hyunday? Rund 10% mehr Reichweite ist etwas, was ich durchaus gern haben möchte!
Verbesserungsvorschläge
- Der Totwinkelassistent mit Monitoranzeige ist zweifellos eine feine Sache. Aber man könnte das noch deutlich besser machen. Zur Erinnerung: wenn ich auf einer Seite blinke (und noch ein paar Sekunden danach), wird im Display ein Kamerabild von dieser Fahrzeugseite angezeigt, das alles zeigt, was sonst im toten Winkel übersehen werden könne. Genau das ist schon das erste Problem: das Bild wird erst eingeblendet, wenn ich den Blinker setze. Wenn ich aber z. B. auf der Autobahn unterwegs bin und auf eine Möglichkeit zum überholen warte, blinke ich normalerweise erst dann, wenn ich wirklich mit dem Überholmanöver beginnen will - ich würde aber schon gern vorher wissen, ob da was von hinten kommt. Eine andere Situation, entsteht z. B. an Einmündungen, die nicht im rechten Winkel, sondern flach wie eine Auffahrt nach rechts in eine Hauptstraße münden, wo man aber auch nach links abbiegen kann. Hier muss ich, wenn ich nach rechts will, rechts blinken - aber wirklich kritisch ist der Blick nach links hinten auf den Verkehr auf der Hauptstraße. Hier zeigt die Kamera genau die falsche Seite an…
Man könnte das verbessern, indem man z. B. am Blinkerhebel einen Sensor anbringt, mit dem ich die Totwinkelkamera gezielt einschalten kann, unabhängig vom Blinker. Da könnte ich z. B. beim Überholen den Finger auf den Hebel legen, um das Bild zu aktivieren, und ich drücke den Blinkerhebel erst dann durch, wenn der Weg frei ist. Und im Falle der Einmündung könnte ich rechts den Blinker setzen und dann den Sensor für links berühren, um auf die für mich wichtigere Kamera umzuschalten.
(*) P.S. Das "Pling! Pling!" ist inzwishcen geklärt. Das ist die
warnung vor Radarfallen - wenn die Karte angezeigt wird, wird dort
auch ein Kamerasymbol dargestellt. Man muss aber erst einmal darauf
kommen, dass das zusammenhängt. Würde parallel zum warnton z. B.
das Kamerasymbol im Display rot blinken oder so, dann wäre es sofort
klar. Aber vermutlich wäre das zu einfach…