Es ist gar nicht so leicht, ein Wasserstoff-Auto zu kaufen…
Am 13. März 2018 erhielt ich eine Mail vom Kundenberater meines damaligen
Leasing-Gebers mit der Frage: "Der Leasingvertrag zu Ihrem
derzeitigen … endet am 04.10.2019 . Haben Sie sich bereits
Gedanken gemacht, wie es im Anschluss daran für Sie weitergehen
könnte?"
Das war gerade in der Mitte meines damals laufenden
Leasingvertrages, ich hatte also noch rund eineinhalb Jahre Zeit zum
Nachdenken. Ich fuhr damals einen fast 200 PS starken sportlichen
Diesel und kam, mit dem
Dieselskandal
frisch im
Gedächtnis, schnell zum Entschluß, dass das nächste Auto keinen
Verbrennungsmotor mehr haben sollte. Also begann die Suche nach
einem Auto mit Elektroantrieb, das für meine Zwecke brauchbar war.
Ich fahre derzeit im Jahr um die 30.000 km und pendele dabei
30…40 Mal im Jahr zwischen München und Nürnberg, also ca. 200 km
einfache Strecke. Allerdings sind auch immer wieder Fahrten über 400
und mehr Kilometer dabei - dann in der Regel früh hin und abends
zurück. In meiner Familie leben ausser meiner Frau und mir drei fast
schon erwachsene Kids - das Auto muss also zudem ausreichend Platz
bieten.
Es wurde schnell klar, dass keiner der deutschen Automobilbauer
ein Modell auch nur in Planung hatte, dass für so ein Profil getaugt
hätte. Eigentlich blieb nur Tesla übrig. Model S oder X lagen
deutlich über dem Preisrahmen, der mich interessierte. Blieb nur
noch Model 3 übrig, der damals "bald" auf den deutschen Markt kommen
sollte. Im September 2018 erkundigte
ich mich dann genauer bei Tesla nach zu erwartender Ausstattung und
Leasing-Konditionen. Die Auskunft, die ich übereinstimmend sowohl
per E-Mail von den "European Inside Sales" als auch von einem
Tesla-Händler in Nürnberg erhielt, war
enttäuschend: Nein, zur Ausstattung könne man noch nichts sagen.
Auch nicht, mit welcher Batterie und damit Reichweite das Auto in
Deutschland an den Start gehen soll. Irgendwelche Details zu
Assistenzsystemen usw. schon gleich gar nicht. Und auch einen Preis
oder Leasing-Konditionen könne man mir noch nicht sagen - aber ich
solle möglichst gleich ein Fahrzeug reservieren, denn die Liste der
Vormerkungen sei schon ziemlich lang.
Super! Null Informationen zur genauen Spezifikation oder zum Preis,
aber man möge die Katze im Sack doch bitte sofort verbindlich bestellen.
Ich hatte meine Pläne, ein elektrisch angetriebenes Auto zu leasen,
wegen Undurchführbarkeit schon fast aufgegeben, da las ich einen
Bericht über die Markteinführung des Hyundai Nexo im "August 2018"
in Deutschland. OK, der Preis lag ein gutes Stück über meiner
eigentlichen Planung, aber dafür gab es eine klare, verbindliche
Spezifikation - und eine im Vergleich zu den batterieelektrichen
Modellen fantastische Reichweite. Allerdings … nicht einmal ein
Dutzend Wasserstofftankstellen in ganz Bayern
Aber der Gedanke ließ mich nicht mehr los, und ich begann,
systematisch nach Informationen zu suchen - zum Nexo selbst, zur
Technologie Brennstoffzelle, zu anderen serienreifen Autos mit
Brennstoffzelle, zur Wasserstoffversorgung, Ausbauplänen für das
Tankstellennetz usw.
Je mehr ich las, desto mehr festigte sich meine Überzeugung, dass
batterieelektrische Fahrzeuge allenfalls eine Übergangstechnologie
sein können, aber weder eine langfristige Lösung für PKW, vor allem
nicht, wenn regelmäßig Reichweiten von ein paar Hundert Kilometern
gefahren werden müssen, und schon gar nicht für den
Schwerlastverkehr.
Dann kam der schwerste Teil - das Nachdenken über mein
Nutzungsprofil und ob ich denn mit dem dünnen Tankstellennetz
irgendwie zurechtkommen kann. Es zeigte sich, dass bei meiner
wöchentlichen Fahrt München - Nürnberg drei Tankstellen
(Nürnberg-Fischbach, Ingolstadt und Fürholzen) direkt an der Strecke
lagen - und mit 500…700 km Reichweite sollte ich die
Zwischenzeiten gut überstehen. OK, wenn ich meinen Freund in Ungarn
besuche, kann ich in Wien das letzte Mal tanken - aber das war die
einzige Situation, die mir einfiel, wo ich überhaupt über Reichweite
und nächste Tankstelle nachdenken musste.
Kurz, meine Entscheidung war gefallen, ein Experiment Nexo zu
starten. Da ich das Fahrzeug leasen würde, war auch der zeitliche
Rahmen überschaubar, und ich mußte mit keine Gedanken über einen
Wiederverkaufswert am Ende meiner Nutzungsdauer machen. Ein
zeitlich befristetes Experiment - fast schon aufregend…
Am 18. 12. 2018 unterschrieb ich den Leasingvertrag und damit die
verbindliche Bestellung. Darin stand eine verbindliche Lieferzeit
von "bis zu 12 Monaten", aber mein Händler meinte, ich könne
voraussichtlich ab Juni 2019 damit rechnen. Mein alter
Leasingvertrag lief bis zum 04. 10., also war ausreichend Puffer.
Dachte ich. Aus dem Juni wurde August, dann September. Der Nexo war
nicht in Sicht. Ich wurde langsam nervös, denn Anfang Oktober
musste ich mein aktuelles Auto zurückgeben. Aber mein Autohändler
hatte mit fest versprochen, dass er mir garantiert, dass ich mobil
beliben werde. Leider nur mündlich. Als ich am 02. 10. 2019 mein
bisheriges Auto abgegeben hatte un bei ihm auf der Matte stand, um
ihn an sein Versprechen zu erinnern, gab er mir - sichtbar wenig
begeistert - auf "kleinem Dienstweg" und ohne Wissen seines
Verkaufsleiters sein privates Dienstauto, einen Hyundai i30 mit 100
PS, der sich im Vergleich zu dem Auto, das ich davor fuhr, anfühlte
wie ein Aufsitzrasenmäher…
Vier Wochen später, gegen Ende Oktober, kontaktierte mich der
Verkaufsleiter des Autohauses, der mir mitteilte, dass sich der
Liefertermin wieder einmal verschoben habe - on Anfang November auf
die erste Februarwoche 2020. Und er hatte vom Deal seines Verkäufers
erfahren und teilte mir mit, dass das so ganz und gar nicht ginge
und ich das Auto sofort zurückgeben müsse. Und Hyundai bzw. das
Autohaus sei auch nicht verpflichtet, für ein Ersatzfahrzeug zu
sorgen, jedenfalls nicht vor Ablauf der vertraglich garantierten
Lieferzeit. Sprich, ab 18. 12. würde ich einen Ersatzwagen gestellt
bekommen, aber keinen Tag vorher.
Also musste ich fast zwei Monate überbrücken - per Langzeitmiete mit
einem Audi A6 Avant. Der war zwar gut ausgestattet und hatte etwas
über 200 PS, war aber insgesamt ein ziemlich enttäuschendes Erlebnis…
Am 18. 12. 2018 tauschte ich den dann beim Nyundai-Handler gegen
einen kostenlosen Leihwagen ein, einen Ioniq Hybrid. Auch der eine
ziemliche Enttäuschung, aber einem geschenkten Gaul… Und ich
dachte ja, bis Anfang Februar sind es weniger als zwei Monate…
Ich hatte wieder einmal falsch gedacht. Der Termin kam - und wurde
erneut verschoben, dieses Mal auf Anfang Juni. Die Zusicherung:
"Nun aber wirklich!" konnte ich nicht mehr lustig finden.
Es gab dann noch weiteres Hin und Her: im März 2020 wurde mir in
Aussicht gestellt, wenn ich den Nexo statt des bestellten "Titanium
Grey Matt" in der Farbe "White Cream" nehmen würde. Darauf
verzichtete ich, so dass es bei dem Termin Anfang Juni blieb, wobei ich
starke Zweifel hatte, ob der Angesichts COVID-19 wirklich gehalten
würde. Um so überraschter war ich, als mich mein Autohändler schon
Mitte Mai anrief, um mir mitzueilen, dass mein Nexo in der
Anlieferung sei. Wow! Damit hatte ich nun gar nicht gerechnet, als
ich seinen Namen im Display sah..
Und tatsächlich, am 27. 05. 2020, pünktlich zu meinem Geburtstag,
konnte ich den Nexo endlich abholen und meine "abgasfreie Phase"
beginnen…
Zusammenfassend muss ich sagen, dass sich zwar mein Handler sehr
bemüht hat, aber das Autohaus selbst und vor allem Hyundai haben
sich bei der ganzen Aktion wahrlich nicht mir Ruhm bekleckert.
Aus meiner Sicht hat der Nexo das Potential, bei den Autos mit
Brennstoffzelle das zu werden, was der Tesla bei den
batterielektrischen Autos geworden ist. Aber dazu muss Hyundai die
Autos auf die Straße bringen - und je mehr Autos, je besser.
Und mit so einem Verhalten lockt man keine Kunden an - ich will nicht wissen,
wieviele andere an meiner Stelle längst abgesprungen und auf ein
anderes, leichter verfügbares Auto ausgewichen wären. Wirklich
schade, dass Hyundai hier seine Chancen so verspielt, denn der Nexo
ist einfach ein geiles Auto!